Zinssenkungen beflügeln Häusermärkte
Zinsen verheissen eigentlich Schönes. Wer Geld auf dem Sparkonto hat, kriegt dafür als Belohnung Zinsen. Doch seit einiger Zeit gilt diese Spielregel nicht mehr. Viele Zentralbanken auf der Welt halten den Leitzins unter null. Wer spart, bezahlt. In der Schweiz allerdings nur ab einem bestimmten sechsstelligen Schwellenwert. Trotzdem, wie konnte es soweit kommen? Ist Sparen nicht mehr tugendhaft? Wann genau hat das System gewechselt von positiven zu negativen Zinsen? Und warum ist die ganze Geschichte relevant für künftige Eigenheimbesitzer?
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat vor mehr als sechs Jahren Negativzinsen eingeführt. Genauer gesagt haben die Schweizer Notenbänker den Leitzins ins Minus rutschen lassen. Bis 2015 verhinderte die SNB die Aufwertung des Schweizer Frankens – gegenüber anderen Währungen wie z.B. dem Euro oder dem USD-Dollar – mit einer künstlichen Obergrenze von 1.20 Schweizer Franken pro Euro, indem sie am Devisenmarkt direkt intervenierte. Als die SNB diese Obergrenze nicht mehr unterstützte, verteuerte sich der Schweizer Franken automatisch, was die Exportindustrie in die Bredouille brachte. Für die Zentralbank war dies das kleinere Übel, denn die Schock-Massnahme zielte eigentlich darauf ab, die damals vorherrschende «Deflation» im Zaum zu halten.
Minuszinsen verhindern den Spartrieb
Bei einer Deflation sinken die Preise von Waren langfristig, die Kaufkraft des Geldes steigt also. Was erst mal positiv klingt, kann volkswirtschaftlich gesehen negative Wirkungen haben. Wenn viele Menschen daran glauben, dass die Preise noch niedriger werden könnten, dann konsumieren sie weniger. Ebenso zeigen sich Unternehmen zurückhaltend bei grossen Anschaffungen und Investitionen. Wenn niemand mehr konsumiert und die Unternehmen nichts investieren, gerät die Wirtschaft in eine Krise. Um dies abzuwenden, musste die SNB das Abtauchen der Zinsen in die Minuszone zulassen. Das sollte das Ansparen von Geldern verhindern, da man ja keine Zinsen erhält, sondern ab sehr hohen Beträgen etwas drauflegen muss. Das hat die Unternehmen sozusagen gezwungen, ihre Gelder in den eigenen Betrieb oder in andere Werte wie zum Beispiel Immobilien zu investieren. Und jetzt wird es besonders spannend für künftige Hausbesitzer!
Die grossen Investoren der Schweiz wie beispielsweise Versicherungen, Banken oder Pensionskassen müssen ihr Geld so anlegen, dass für sie eine Rendite rausschaut. Obligationen in Schweizer Franken werfen nicht mal 1 Prozent Zins ab; Anlagen in Aktien sind mit höheren Risiken verbunden, weil die Aktienmärkte sehr sensibel auf die kleinsten Änderungen im politischen oder wirtschaftlichen Gefüge reagieren. Deshalb hat die Investorengemeinschaft seit etwa fünf Jahren massiv in Wohnimmobilien investiert und sucht ständig neue Objekte für ihre Immobilienportfolios.
Die Renaissance des Einfamilienhauses im Grünen
Seit dem Beginn der Pandemie gibt es zudem einen regelrechten Run auf Einfamilienhäusern in allen Lagen und geografischen Regionen. Die Zeit im Home-Office hat manchen dazu bewegt, seine eigene Wohnsituation zu optimieren. Der grosse Wunschtraum ist ein reaktivierter Klassiker im Schweizer Hausbau: Ein alleinstehendes Einfamilienhaus mit Umschwung mitten im Grünen und der Möglichkeit, einen Raum als Homeoffice zu verwenden. Die plötzlich durch Corona wiederbelebte und verstärkte Nachfrage ist im letzten Jahr auf ein gleichbleibendes Angebot gestossen.
Allerdings gibt es einen triftigen Grund, wieso sich dieser Trend um 180 Grad drehen könnte. Der Grund sind die Babyboomer. Das sind die geburtenstarke Jahrgänge aus den 1960-Jahren, als es noch nicht so viele Fernsehkanäle gab, um den Abend genüsslich auszufüllen. Diese Babyboomer gehen bald in Rente. Springender Punkt: Mehr als die Hälfte aller privat gehaltenen Immobilien ist im Besitz der über 60-Jährigen gemäss den Studien einer Grossbank. Die genannten Zahlen gelten zwar nur für den Kanton Zürich, aber man darf davon ausgehen, dass schweizweit vergleichbare Tendenzen bestehen. Derzeit haben wir einen ausgeprägten Verkäufermarkt, sodass Verkäufer bei den Verhandlungen am längeren Hebel sitzen. Die Nachfrage ist grösser als das Angebot. Die logische Konsequenz ist: die Preise steigen.
Das Hypothekargeschäft boomt
Allenthalben schreibt die Presse, dass sich immer weniger Menschen Wohneigentum kaufen können. Doch stimmt das wirklich? Die Minuszinsen der Nationalbank sind deshalb Leitzinsen, weil sie das Zinsniveau von anderen Zinsen direkt beeinflussen. Das heisst: Sinkt der Leitzins, so sinken auch die Hypothekarzinsen und der Referenzzinssatz, wobei letzterer eher für die Mietsenkungen relevant ist. Zur Erinnerung: Noch in den 90er-Jahren gab es Hypothekarzinsen von 7 Prozent oder sogar höher. Heute bewegt sich der Zins bei knapp 1 Prozent für langjährige Laufzeiten. Zugegeben, die Tragbarkeitsregeln sind derzeit sehr streng, doch Banken sind sicherlich auch daran interessiert neue Kredite zu sprechen, denn das Geschäft wird sehr interessiert beworben – nicht nur durch Angestammte, sondern auch durch Newcomer. Es lohnt sich also sicherlich, bei mehreren Anbietern ein Gespräch zu vereinbaren.
Die entscheidende Frage zum Schluss: Wie lange wird sich die Schweiz noch in einen Tiefzinsumfeld bewegen? Gegenwärtig wächst auf der ganzen Welt der Druck, Zinsen zu erhöhen, um die wachsende Inflation zu bändigen. Im Gegensatz zur restlichen Welt bewegt sich die Inflationsrate in der von der SNB gesetzten Bandbreite bei 2 Prozent. Wenn die Wirtschaftslage unsicher bleibt, würde niemand vom Nationalbank-Direktorium auf die Idee kommen, die Zinsen anzuheben, denn das würde das schon bescheidene Wirtschaftswachstum vollends abwürgen. Für künftige Hausbesitzer heisst das: Das Jahr 2022 bietet immer noch einen günstigen Einstiegsmoment, um sich den Traum nach den eigenen vier Wänden zu erfüllen.